Albrecht Beer

ein Schachleben auf mehr als 64 Feldern

Keiner konnte damals ahnen, welch große Bedeutung Schach im Leben von Albrecht einnehmen wird, als er im Alter von 10 Jahren an der Untermhäuser Schule in Gera von einem Schulfreund die Regeln erlernte. Es entwickelte sich bei ihm eine große Begeisterung und er machte schnell  Fortschritte. Von da an beschäftigte er sich intensiver mit dem „Königlichen Spiel“ und trat in seinen ersten Schachverein, die BSG Lokomotive Gera, ein.

Von Anfang an freute er sich auf jeden Einsatz bei Mannschaftskämpfen, auch als "Ergänzungsspieler". Von sich aus kam er zu jedem Heimkampf mit der Hoffnung auf eine Spielmöglichkeit, falls einer der vorgesehenen Spieler unerwartet fehlte. Durch seine schnelle Leistungsentwicklung gehörte er schon bald fest zur Mannschaft.

Schnell entdeckte er auch für sich die Begabung, sein Wissen und die Feinheiten des Schachspiels an Kinder und Jugendliche weiterzugeben und andere für Schach zu begeistern. Bereits als 15-Jähriger leitete er eine Arbeitsgemeinschaft im Pionierhaus Gera. Über die Jahre wurde er zu einem angesehenen und begehrten Schachlehrer und war seinen Schützlingen nicht nur am Schachbrett ein wertvoller Ratgeber. Als Trainer führte er die Jugendmannschaft der BSG Lokomotive Gera zum Sieg des FDJ-Pokals der DDR. Sein individuelles Training mit Petra Feustel zahlte sich aus, als diese in einem Jahr Schülermeisterin, Jugendmeisterin und Frauenmeisterin der DDR wurde.

Auf Vorschlag des Vorsitzenden des Bezirksfachausschusses Gera, Kurt Rogler, verwirklichte Albrecht gemeinsam mit Gerhard Richter die Idee einer Nachwuchstrainingsgemeinschaft im damaligen Bezirk Gera. Die leistungsstärksten Kinder und Jugendlichen des Bezirkes erhielten hier zusätzliches Training.

Eine Herzenssache war für ihn die Förderung des Mädchen- und Frauenschachs. Gemeinsam mit Kurt Rogler gründete er in der BSG Metall Gera die erste reine Frauenschachabteilung. Das war ein Novum, welches es so bisher weder in der DDR noch in der Bundesrepublik gab. Hier konzentrierte er talentierte Mädchen und Frauen aus dem Bezirk Gera, welche dann folgerichtig immer einer der beiden höchsten Spielklassen angehörten.

In der spannenden und nicht einfachen Zeit vor der Wende war er für ein Jahr Verbandstrainer des Deutschen Schachverbands der DDR. 

Was ihn in Gera mächtig ärgerte war die frostige Rivalität zwischen den Geraer Schachvereinen. Mit der Gründung des Fördervereins Schach Gera gelang es, diese tiefen Gräben zu überbrücken. Gemeinsam verwirklichten die Geraer Vereine seine Idee der Internationalen Geraer Schachtage, die mit einer 10-tägigen Veranstaltung im Jahr 2002 in den Gera-Arcaden einen absoluten und vielbeachteten Höhepunkt erreichten.

Attraktionen wie die Blindschachvorführung von Elisabeth Pähtz, ein Auftritt der Lebendschachgruppe des Schachdorfs Ströbeck, der Vortrag von Dr. Helmut Pfleger, der Städtevergleich zwischen Gera und Jena an 50 Brettern, die Simultanveranstaltungen mit Großmeister Thomas Luther und vieles mehr sorgten für großes Zuschauerinteresse.

Hochkarätige Einzelveranstaltungen, wie den Simultanwettkampf gegen den späteren FIDE-Weltmeister Alexander Chalifmann oder auch den Simultanwettkampf mit der aufstrebenden Elisabeth Pähtz, organisierte er  mit großem persönlichen Einsatz.

Albrecht war nicht nur ein hervorragender Organisator und Trainer, sonder auch ein leidenschaftlicher Schiedsrichter. 

Beim Schachkongress des Deutschen Schachbundes 2017 in Linstow (Mecklenburg-Vorpommern) erhielt Albrecht Beer die Silbernen Ehrennadel des DSB für seine langjährige Tätigkeit als Schiedsrichter. Der DSB verlieh erstmals diese Auszeichnung an Schiedsrichter mit mehr als 150 Erstligaeinsätzen. Die Liste der sechs Schiedsrichter in Deutschland, die in den Genuss dieser Ehrung kamen, führte Albrecht Beer (224 Erstligaeinsätze) mit großem Vorsprung an.

Über ein anspruchsvolles Auswahlverfahren qualifizierte sich Albrecht als einer der Schiedsrichter für die Schacholympiade 2008 in Dresden. Im Thüringer Schachbund wirkte er als Ausbilder für Schiedsrichter. Als er im Jahr 2016 seinen letzten Lehrgang in Erfurt leitete, war der Schulungsraum überfüllt. Dabei würzte er den Lehrgangsstoff mit kuriosen Fällen und zahlreichen Anekdoten.

Während seiner Zeit als aktiver Spieler hinterließ er Spuren in fast allen Geraer Vereinen. Neben der BSG Lokomotive Gera war er für die BSG Fortschritt Liebschwitz (später SV 1861 Liebschwitz), für den VfL 1990 Gera und zuletzt wieder für den ESV Gera (ehemals Lok Gera) aktiv. Auch zu Einsätzen in der Sonderliga, damals die höchste Spielklasse der DDR, kam er bei der Mannschaft von Greika Greiz.

In enger Zusammenarbeit mit der Geraer Stadtverwaltung pflegte Albrecht die Beziehungen zu Geras Partnerstädten. So konnten zahlreiche Schachvergleiche mit Sliven, Plzen, Wroclaw, Arnheim, Pskov und Kuopio ausgetragen werden, die bei den Beteiligten in bester Erinnerung blieben.

Und wer glaubte, sein Engagement für Schach war mit all diesen zeitaufwendigen Tätigkeiten erschöpft, hatte sich schwer getäuscht. Für Tageszeitungen und Schachzeitschriften verfasste er über 2000 Artikel. Er berichtete sowohl über kleine Vereins- und Hobbyturniere, als auch über Kinder-, Jugend- und Seniorenturniere mit der gleichen Genauigkeit und Sachlichkeit, wie über hochkarätige Einzel- und Mannschaftsmeisterschaften. Unermüdlich saugte er alle Informationen aus den Vereinen auf und verarbeitete diese in seinen legendären Schach-Notizen, stets mit seiner Signatur: " - ab - ".

Für sein Lebenswerk wurde Albrecht Beer 2017 mit dem Sportpreis des Stadtsportbundes Gera geehrt.

Seinen letzten Einsatz als Hauptschiedsrichter hatte Albrecht Beer im März 2019 beim Talentsichtungsturnier der Thüringer Schachjugend in Crossen.

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Torsten Kirschner
mit hilfreicher Unterstützung durch Diana Skibbe
(Quellen: Deutscher Schachbund e,V., Thüringer Schachbund e.V., Interview: Albrecht Beer - Thomas Triemner)